Gastbeitrag
Gastautorin Dr. Adriana Lettrari

Junge Leute braucht das Land

Gastbeitrag von Dr. Adriana Lettrari-Pietzcker, Geschäftsführerin der Ehrenamtsstiftung MV

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Und was brauchen junge Leute? Gestaltungsräume und Perspektive. Von beidem hat Mecklenburg-Vorpommern viel zu bieten. Nicht nur landschaftlich. Das entdecken nicht nur immer mehr Großstädter, die zum Arbeiten ins Grüne wollen, sondern auch die, die von hier kommen.

Die gute Nachricht: Die Landeskinder kehren zurück. Ich bin eines von ihnen. Nach der Schule verschlug es mich von Rostock zu Ausbildung, Studium und Beruf nach Hamburg, Berlin, Tansania, Zürich und wieder Berlin. Jetzt lebe ich in Güstrow. Warum? Weil ich hier meinen Gestaltungsraum gefunden habe. Als Geschäftsführerin der Ehrenamtsstiftung MV kann ich vielen anderen Menschen ebenfalls die Mitgestaltung ermöglichen. Mit einem professionellen Team stehen wir Leuten, die sich im Land in Vereinen für das Gemeinwohl engagieren, mit Rat und Tat zur Seite – sei es mit Know-how, juristischer Beratung, Qualifizierung, Vernetzung und Austausch oder mit finanziellen Mitteln für den guten Zweck. Davon wird rege Gebrauch gemacht. Denn die meisten der 12.000 Vereine im Land sind klein und rein ehrenamtlich organisiert. Sich vor Ort zu engagieren, gehört für viele einfach zum Leben dazu, denn hier entsteht das WIR-Gefühl, hier kommt man zusammen, um Sport, Kultur oder die neue solidarische Landwirtschaft zu organisieren.

Dr. Adriana Lettrari-Pietzcker hat als Organisationsberaterin branchenübergreifend Prozesse zur Entwicklung von Teamarbeit und Führungsverhalten im „Public Sector“ begleitet, beriet aber auch Wirtschaftsunternehmen zu sozialem Unternehmertum und Gemeinschaftssinn. Sie ist Anstifterin des „Netzwerk 3te Generation Ost“ und der Initiative „MIT HOCHGLANZ“. Seit Oktober 2020 bringt sie ihre Expertise in die Geschäftsführung der Ehrenamtsstiftung MV ein.

Für Anne Rupp aus Reppelin gehört Ehrenamt zum Beispiel ebenfalls zum Leben dazu. Sie arbeitet in Rostock in der Forschung. Ihr Leben spielt sich aber im kleinen Dörfchen Reppelin ab, so wie für die meisten ihrer Freunde aus Kindertagen. Und es ziehen neue dazu. Irgendwas muss es haben, das Dorf. Für Anne Rupp ist es die Gemeinschaft. Los ist hier immer was. Dafür sorgt sie selbst mit dem Kulturverein Reppelin. Und wenn man einfach nur zusammen mit den Kindern Sternschnuppen zählt – im selbstorganisierten Ferienprogramm. Für die älteren Kids gibt’s den Jugendclub direkt am Sportplatz. Da sind sie gleich mitten im Geschehen, wenn sich die Region hier zum Event des Jahres trifft, auf dem Reppeliner Wiesenfest.

Oder sie kommen hier neu an – wie Reem Ammori. „Könnt ihr uns helfen zu helfen?“ Die junge Syrerin stand irgendwann im März 2020 im Nachbarschaftszentrum Grünhufe in Stralsund. Auf ihrem Zettel rund 60 Syrerinnen und Syrer, die alle dasselbe wollten. „Deutschland hat so viel für uns getan. Wir wollten etwas zurückgeben.“ Arbeiten in der Landwirtschaft, einkaufen gehen für Nachbarn, anpacken bei der Tafel – alles, was hilft, als wegen Corona fast alles stillsteht.  Thomas Nitz, Leiter des Zentrums, ist begeistert und findet für sie Einsatzorte in der Stadt. Am Ende bringen sie sogar die Mahnkesche Mühle im Stralsunder Zoo wieder auf Vordermann. 

Auch ein schönes Beispiel für junges Engagement  in unserem Land sind die Jungs vom „Rollkollektiv 4 Tore e.V.“. Sie bauen in Eigenregie eine Skaterhalle für die Kids aus dem Neubrandenburger Neubauviertel Datzeberg auf. Dafür haben sie u. a. den Engagementpreis Mecklenburg-Vorpommern erhalten.

Unser Land hat jede Menge Gestaltungsräume für Leute, die sie mit Leben füllen wollen. Warum haben dann aber so viele Vereine trotzdem Probleme, Nachwuchs für sich zu gewinnen? Wo, wenn nicht im Verein, kann man sich sinnhaft und gezielt für das Gemeinwohl einsetzen? Wir haben Anfang 2021 in einer Bedarfsanalyse unter den Vereinen des Landes nachgefragt. 56 Prozent der Vereine zählen „junge Engagierte zu finden“ zu ihren größten Herausforderungen. Also woran liegt es, dass junge Menschen und etablierte Vereine scheinbar nicht zusammenfinden?

Reem Ammori

Reem Ammori (li.) engagiert sich ebenfalls ehrenamtlich, denn sie sagt, „Deutschland hat so viel für uns getan. Wir wollten etwas zurückgeben.“ (Bild: Andreas Frost)

Rollkollektiv 4 Tore

Der Verein „Rollkollektiv 4 Tore" baut eine Skaterhalle für die Kids aus dem Neubrandenburger Neubauviertel Datzeberg auf und erhielt dafür den Engagementpreis Mecklenburg-Vorpommern. (Bild: Ehrenamtsstiftung MV)

Anne Rupp aus Reppelin

Für Anne Rupp aus Reppelin gehört Ehrenamt zum Leben dazu. (Bild: Ehrenamtsstiftung MV)

Die EhrenamtsKarte MV ist ein Dankeschön an alle Menschen, die sich bürgerschaftlich engagieren und so einen großen Beitrag für den Zusammenhalt in MV leisten.

Die EhrenamtsKarte MV wurde auf Initiative des Landes Mecklenburg-Vorpommerns eingeführt und ermöglicht ihren Besitzern Vergünstigungen z. B. beim Eintrittspreis in öffentlichen oder privaten Einrichtungen.

Junge Leute ticken anders. Aber sie sind nicht weniger engagiert. Das zeigen nicht nur Studien wie „Junge Deutsche 2021“ oder der „Freiwilligensurvey“, sondern auch die eigene Wahrnehmung. Spätestens mit der „Fridays-for-Future-Bewegung“ sind Kinder und Jugendliche als Engagierte in unser Blickfeld gerückt. Es ist ihnen nicht egal, wie die Gesellschaft um sie herum aussieht. Sie interessieren sich und engagieren sich für das, was ihnen wichtig ist. Eine neue leidenschaftlich engagierte Generation fordert selbstbewusst und gut organisiert gesellschaftliche Mitbestimmung. Wie kann man sie für sich gewinnen?

Wer das wissen will, sollte sich anschauen, was junge Engagierte außer dem Gestaltungsraum noch wollen. Eine Aufgabe mit Sinn, an der sie ihre Fähigkeiten ausprobieren können, das WIR-Gefühl im Team und vor allem die zeitliche Flexibilität. Das Engagement muss in ihr Leben passen, in dem Schule, Studium, Beruf und Familie die Hauptrolle einnehmen. Junge Leute lassen sich ungern in vorgegebene Formen pressen, sie wollen selbst etwas auf die Beine stellen. Dass sie das schon früh lernen – dafür fördert ein Netzwerk aus Stiftungen, außerschulischen Bildungsträgern und dem Bildungsministerium „Lernen durch Engagement an Schulen in Mecklenburg-Vorpommern“. Hier können Schülerinnen und Schüler sich selbstgewählt in ihrem Umfeld für das Gemeinwohl engagieren und das Erlebte im Unterricht reflektieren und mit Fachkenntnissen vertiefen.

Gute Aussichten also für den Nachwuchs im Engagement. Jetzt braucht es nur noch Formate, wie „Jung“ und „Alt“ zusammenfinden. Wir in der Ehrenamtsstiftung MV arbeiten daran. Junges Engagement ist einer unserer Themenschwerpunkte und für Vereine bieten wir mit dem Programm „#Engagement neu gedacht“ Unterstützung und Beratung zur Organisationsentwicklung an, damit die Arbeitsformen im Verein in Zukunft noch besser zu den Lebensformen seiner Mitglieder passen.

Ehrenamtsstiftung MV

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