Zukunft

Am Puls der Zukunft

Otto von Bismarck war es, der nach Mecklenburg ziehen wollte, wenn die Welt untergeht, weil dort (angeblich) „alles 50 Jahre später“ geschehe. Tatsächlich ist das Land seiner Zeit in vielen Themen voraus. Wir stellen Forschungsinstitute in Mecklenburg-Vorpommern vor, die für eine global lebenswerte Zukunft forschen und arbeiten.

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Prof. Dr. rer. nat. Luzia Valentini – Forschung ist Glück

Die Ernährung der Zukunft – passt sie bereits in eine Kalorienpille? Prof. Luzia Valentini, Direktorin des Instituts für evidenzbasierte Diätetik (NIED) an der Hochschule Neubrandenburg, ist da skeptisch: „Versuche haben bewiesen, dass der Mensch nach den Sinnesreizen des Essens verlangt.“ Aber eine Neudefinition unserer Ernährung, entsprechend dem veränderten Lebensstil – das sollte auf den Prüfstand. „Der umfassende Einfluss einer gesunden Ernährung auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit wird noch immer unterschätzt“, weiß Prof. Valentini und erzählt von ihrer Arbeit an der Charité Berlin, wo Ernährung eher als „weicher Gesundheitsfaktor“ betrachtet wurde.

Prof. Luzia Valentini

Ernährung neu denken: Erfahren Sie von Prof. Luzia Valentini, Leiterin des Diätetik-Studiengangs an der Hochschule Neubrandenburg, mehr über ein ganzheitliches Verständnis gesunder Ernährung.

Mit ihrem Wechsel nach Neubrandenburg hat sich die gebürtige Österreicherin ganz der Erforschung der gesundheitlichen Wirkung von Lebensmitteln auf den Menschen verschrieben. Seit ihrer Schulzeit interessiert sie das Thema und weil es zu ihrer Studienzeit noch nicht möglich war, Ernährungswissenschaften zu studieren, hat sie sich den Studienplan einfach selbst zusammengestellt. Auch in Neubrandenburg stellt sie Neues auf die Beine. Unter ihrer Verantwortung wurde das NIED gegründet und der erste Bachelor-Studiengang Diätetik in Deutschland eingeführt. Nein, sie habe es keine Sekunde bereut, dass sie 2013 von Berlin nach Neubrandenburg gekommen sei, sagt Prof. Valentini. Sie schätzt die Vereinbarkeit von Lehre und Forschung an der Hochschule Neubrandenburg, denn „Forschung bedeutet Glück.“

Diätassistenteninnen und Diätassistenten Hochschule Neubrandenburg

Ziel des Studienfaches Diätetik ist es, Diätassistenteninnen und Diätassistenten akademisch zu qualifizieren, ihr eigenes berufliches Handeln mit wissenschaftlichen Modellen und Erkenntnissen zu verknüpfen. (Bild: Hochschule Neubrandenburg)

Prof. Valentini

Prof. Valentini betreut die Neubrandenburger Doktorandin Fatuma Meyer bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Hochschule Neubrandenburg

Die Hochschule Neubrandenburg bietet in ihren 4 Fachbereichen verschiedenste Studienprogramme an. (Bild: Hochschule Neubrandenburg)

Gegenwärtig leitet Prof. Valentini das internationale Projekt IC-BASAROT (BMI-, Age-, and Sex-Adapted Rules of Thumb) für die genauere Bestimmung des täglichen Kalorienbedarfs. Erste Daten verdeutlichen, dass heutige Berechnungsmethoden inkorrekt sind: Junge Menschen verbrauchen im Ruhezustand weniger Energie als bislang gedacht und ältere Menschen mehr.

Hinsichtlich gesunder Ernährung sieht Prof. Valentini auch das Potenzial des Agrarlands Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere in der nachhaltigen Landwirtschaft. Ein Thema, das die engagierte Professorin bei Begegnungen mit Politikern und Entscheidungsträgern adressiert, denn dafür, sagt sie, „braucht es Teamarbeit.“

Hochschule Neubrandenburg

Dr. rer. nat. Henrike Brust – Interdisziplinäre Innovation

Ein exzellenter Partner für mehr ökologische Landwirtschaft ist das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) in Greifswald. Unter Leitung der Biologin Dr. Henrike Brust geht die interdisziplinäre Forschungsgruppe „Plasma-Agrarkultur“ innovative Wege, um Alternativen zum Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu entwickeln. Die Forschung basiert auf bisherigen Forschungen des Instituts, die bereits in der Anwendung erprobt werden: der Einsatz von Kaltplasma zur Abtötung von Keimen in Krankenhäusern und zur Verbesserung der Wundheilung.

Henrike Brust vor Klimaschrank

Frau Dr. Henrike Brust arbeitet mit verschiedenen Pflanzen - unter anderem mit Lupinen - an Alternativen zum Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Klimaschrank

Der spezielle Klimaschrank am INP in Greifswald erlaubt es, die Wachstumsbedingungen, wie Licht, Temperatur und Luftfeuchte, exakt zu regulieren. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Henrike Brust vor Klimaschrank

Diese jungen Lupinenpflanzen wurden Trockenheit ausgesetzt, um deren Einfluss auf das Wachstum zu verfolgen. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Henrike Brust entnimmt eine Lupinenpflanze dem Spezialschrank

Frau Dr. Henrike Brust entnimmt eine Lupinenpflanze dem Spezialschrank, um den Wachstumsstand zu prüfen. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Schnell stellte sich die Frage: Könnte diese keimtötende Wirkung die chemische Behandlung bei Saatgut ersetzen? „Plasmaphysik für ein Getreidefeld, das war tatsächlich Neuland“, erinnert sich Dr. Brust. „Wir versuchen Alternativen aufzuzeigen, die praxistauglich sind.“, betont sie. Denn der Klimawandel, die Zunahme von Pflanzenkrankheiten und die Beschränkungen in der Anwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft bedürfen Lösungen. Sie schätzt das breite Kompetenzspektrum in ihrer INP-Arbeitsgruppe, wo technische und wissenschaftliche Experten und Expertinnen althergebrachten Problemen mit einer neuen Sichtweise begegnen. Diese fachübergreifende Vielfalt aus Biologie, Physik und Ingenieurwissenschaft hat sie gereizt, den Job nach ihrer Promotion und der Arbeit im Bereich Pflanzenforschung an der Universität Potsdam anzunehmen. Daneben hat auch die Heimat gelockt, der Familie nahe zu sein und in Greifswald, der Stadt der kurzen Wege, zu leben.

Mit dem Projekt „Physics for Food“ wurden am INP in der Universitäts- und Hansestadt die Untersuchungen an plasmabehandeltem Saatgut weiter ausgebaut. „Bei Weizen und Gerste konnte die Keimung deutlich beschleunigt werden. Diese vielversprechenden Ergebnisse werden nun auf Feldern in Mecklenburg-Vorpommern überprüft.“, erklärt Dr. Brust mit ihrer freundlich-ruhigen Art. Zukünftig könnten Plasmaanwendungen im Großmaßstab die ganze Produktionskette unterstützen, von der Produktion gesunden Saatguts über die Stärkung der wachsenden Pflanze, bis zur Hygiene bei der Ernte und der pflanzlichen Rohstoffgewinnung. Dr. Henrike Brust kann sich gute Perspektiven für regionale Unternehmensansiedlungen vorstellen.

Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP)  

Prof. Dr.-Ing. Bert Buchholz und Prof. Dr.-Ing. habil. Karsten Müller – Emissionsfrei tanken

Im Jahr 2018 hat allein der Schiffsverkehr in europäischen Häfen 13,5 Prozent der gesamten transportbedingten CO2-Emissionen in der EU verursacht. Zwei Professoren der Universität Rostock arbeiten an der nachhaltigen Verbesserung der Ökobilanz von Schiffsmotoren. Beide sind sich einig: Wasserstoff ist der Kraftstoff der Zukunft.

Prof. Bert Buchholz ist Leiter des Lehrstuhls für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren. Das Spezialgebiet des gebürtigen Rostockers sind Großmotoren. Gegenwärtig forscht sein Team für das Projekt TEME 2030+ (Technologieevaluation für Marinemotoren) an umweltfreundlicheren Gasmotoren, die vielleicht schon 2030 auf Schiffen zum Einsatz kommen könnten.

Prof. Buchholz und Prof. Müller im Maschinenlabor

Prof. Buchholz (links) und Prof. Müller im Maschinenlabor der Universität Rostock mit einem Schiffsmotor auf dem Prüfstand. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Prof. Karsten Müller (links) und Prof. Bert Buchholz (rechts)

Sie leiten jeweils einen Lehrstuhl an der Universität Rostock, sind aber ein ideales Gespann. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Prof. Buchholz und Prof. Müller

Die beiden Professoren werfen einen Blick in den Prüfstand 2 des Lehrstuhls für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Prof. Buchholz  und Prof. Müller arbeiten

Gemeinsam arbeiten sie interdisziplinär an der Entwicklung von emissionsfreien Motoren. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Prof. Müller zeigt die Testanlage

Prof. Müller zeigt die Testanlage für Wasserstofflagerung und -verteilung an der Universität Rostock. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Prof. Buchholz steht neben dem Lagertank für Wasserstoff

Prof. Buchholz steht neben dem Lagertank für Wasserstoff, ein erster Teil der in Rostock geplanten Wasserstoff-Infrastruktur. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Im Oktober 2020 wechselte Prof. Karsten Müller aus Erlangen an die Universität Rostock und übernahm den Lehrstuhl für Technische Thermodynamik. Er brachte seine Expertise in der Speicherung und Lagerung von Wasserstoff mit. Dieses Wissen in eine praktische Nutzung für nahezu emissionsfreie Schiffsmotoren umzusetzen, führte beide Wissenschaftler zusammen: Prof. Müller als Theoretiker und Modellierer und Prof. Buchholz als Praktiker und Umsetzer. Doch nicht nur die thematische Synergie erlaubt eine enge Kooperation. Prof. Müller schätzt die sprichwörtliche Nüchternheit der Mecklenburger. Wichtig ist ihm auch das, wie er sagt, „perfekte universitäre Umfeld“ in Rostock, wo viele Partner auf dem kleinen Dienstweg erreichbar sind.

Beide Professoren treibt nichts Geringeres an, als die Energiewende möglich zu machen. „Wir stellen uns der sich verändernden Welt. Wir suchen nachhaltige Lösungen“, sagen sie. Sonnenenergie könne der Schlüssel dazu sein, davon ist Prof. Buchholz überzeugt. Solarstrom aus der Wüste könnte vor Ort in Wasserstoff umgewandelt werden, der zu Häfen transportiert und dort von Frachtern getankt wird. Prof. Buchholz gibt zu bedenken: „Schiffe operieren weltweit und am Ende atmen wir alle die gleiche Luft. Grüne Zukunftstechnologien sind eine Chance für junge Leute, sich einzubringen.“ Die Universität Rostock biete dafür aus Tradition beste Voraussetzungen und Perspektiven – gerade für die eigene Zukunft.

Universität Rostock

Dr. Marion Kanwischer – Kreative Akribie

Als ein Binnenmeer inmitten hochindustrialisierter Staaten ist die Ostsee fragiler als die offenen Weltmeere. Aber es gibt Grund zu vorsichtigem Optimismus, ist Dr. Marion Kanwischer, Leiterin des Labors „Organische Stoffe“ und Technische Leiterin der Analytik-Gruppe am Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde (IOW), überzeugt.

Dr. Marion Kanwischer

Frau Dr. Marion Kanwischer vor dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

 Forschungsschiff des Leibniz-Instituts

Das Forschungsschiff des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde, die „Elisabeth Mann Borgese“, auf Expedition in der Ostsee. (Bild: IOW)

Laborarbeitsplätz

Der Blick auf einen der Laborarbeitsplätze von Frau Dr. Kanwischer. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Leibniz-Institut für Ostseeforschung

Das Leibniz-Institut für Ostseeforschung grenzt direkt an den Kurpark von Warnemünde. (Bild: Jacqueline Myrrhe)

Logo des Leibniz-Instituts

Das Logo des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde - IOW. (Bild: IOW / Werk 3)

„Wir profitieren noch heute davon, dass sich vor fast 50 Jahren die Anrainerstaaten in der Helsinki-Konvention verpflichtet haben, die Ostsee zu schützen“, sagt sie. Dr. Kanwischer sieht bei ihren Analysen, dass die Konzentrationen von Giften wie PCB und DDT durch Verbote stark gesunken sind. Aber sie weiß auch: „Schadstoffe kommen und gehen. Menschliche Aktivität rückt immer Neues ins Bild. So finden sich heute im Schadstoff-Cocktail neben Pestiziden auch Bestandteile von Pharmazeutika und Sonnenschutzmitteln.“ Das Team um Dr. Kanwischer entwickelt Methoden, um den Grad der Kontaminierung zu messen. Dabei sind Kreativität und Geduld gefragt, denn für neue Stoffe gibt es oft noch keine Messmethoden. Genau das mache den Reiz der Arbeit aus, sagt die Forscherin. „Schon vor der Arbeit denke ich oft darüber nach, was bei den Über-Nacht-Messungen herausgekommen sein mag, denn viele unserer methodischen Ansätze sind Neuland“, berichtet sie. „Und wenn wir dann erstmals neue Stoffe in der Ostsee nachweisen können, beginnt die spannende Forschungsarbeit, um deren Eintragswege und Langzeitverhalten zu erfassen“. Eine hervorragende Laborausstattung sowie die kollegiale und offene Atmosphäre am IOW schaffen hierfür den idealen Rahmen.

Vor kurzem gelang es dem Team, eine Methode für die Analyse des Glyphosat-Gehalts in der Ostsee zu entwickeln. Die Ergebnisse bestätigen, dass Glyphosat in die Ostsee gelangt ist, aber ob die Konzentrationen den Meerestieren und -pflanzen schaden, ist offen. Doch ohne solide Datengrundlage können keine wirksamen Schutzmaßnahmen ergriffen werden – eine starke Motivation für Dr. Kanwischer, denn für sie gilt: „Wir müssen verhindern, dass unsere Aktivitäten die Ostsee zu einem ungesunden Lebensraum für ihre Meeresbewohner machen – jetzt und in Zukunft!“

Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

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